Die mächtige Familie Medici bestimmte im 16. Jahrhundert das Leben in Florenz. Ihr Einfluss reichte bis nach Rom. Die Verteidigung ihrer Herrschaft ging mit Intrigen, kriegerischen Auseinandersetzungen und Bürgeraufständen einher. In besonderem Maße förderte die Florentiner Bankiersfamilie Kultur und Künste in ihrer Stadt.
In dieser produktiven Phase entwickelten Maler wie Pontormo, Bronzino, Rosso Fiorentino und Vasari neue künstlerische Ansätze. In ihren Bildern experimentierten sie mit raffinierten, teils bizarren Formen, Farben und Kompositionen. Sie emanzipierten sich damit von ihren berühmten Vorgängern der italienischen Hochrenaissance.
Nun haben die Künstler ihren ersten großen Auftritt in Deutschland – in 120 hochkarätigen Leihgaben präsentiert sich der Manierismus eindrucksvoll als ebenso faszinierende wie vielschichtige Stilrichtung.
The Stylish
Style
Diese zarten Hände sind nicht zum Arbeiten bestimmt. Vornehm hat der junge Mann seine langen, feingliedrigen Finger angewinkelt. Die blasse Haut steht im Kontrast zur dunklen Kleidung. In der Linken hält er lässig ein Paar kostbare Lederhandschuhe – ein Luxusgut im Florenz des 16. Jahrhunderts.
Man muss [...] eine gewisse Nachlässigkeit [sprezzatura] zur Schau tragen, die die angewandte Mühe verbirgt und alles, was man tut und spricht, als ohne die geringste Kunst und gleichsam absichtslos hervorgebracht erscheinen lässt.1
Baldassare Castiglione, Der Hofmann, 1528
In Szene gesetzt
Gelassen richtet sich der Blick der jungen Dame direkt auf den Betrachter. Dennoch entsteht keine rechte Nähe. Das glatte, ruhige Gesicht der Frau verrät nichts über ihr Innenleben. Im Kontrast dazu versprüht ihr leuchtend rotes Kleid mit den wallenden Puffärmeln eine lebendige Energie. Verbirgt sich hinter der kühlen Fassade ein temperamentvoller Charakter?
Lang gestreckte Gesichter
mit dunklen Augen
Über den Künstler Rosso Fiorentino schrieb der bekannte Biograf und Maler Giorgio Vasari, er habe „nur bei wenigen Meistern die Kunst erlernen“ wollen, „da seine Meinung im Widerspruch zu ihren Stilrichtungen stand“. 2
Madonnenbilder
Darstellungen der Maria mit Kind und dem Johannesknaben waren im Florenz des 16. Jahrhunderts äußerst beliebt. Zu sehen ist sie mit ihrem Sohn Jesus in den Armen, daneben Johannes, der später Christus taufen sollte.
Der Reiz
des Experiments
Die Herausforderung, bestehende Regeln von Schönheit und Harmonie aufzubrechen und weiterzuentwickeln, reizte die Florentiner Manieristen. Vor allem in der Zeichnung kommt ihre Begeisterung für künstlerische Experimente zur Geltung.
Bewegte Linien
Den modernen Betrachter könnte diese Zeichnung an den Bewegungsablauf einer Fotoserie erinnern. Jacopo Pontormo experimentierte hier jedoch mit verschiedenen Drehbewegungen eines nackten männlichen Körpers.
Gewundene Körper
Nackte Leiber kriechen auf Knien, hängen am Kreuz oder winden sich im Schmerz. Sie sind durch und durch gezeichnet von dem schrecklichen Leid, das ihnen widerfährt. Pontormo beschäftigte sich in diesem politisch hochbrisanten Werk von 1529/30 ausgiebig mit der Körpersprache als Ausdruck menschlicher Emotionen.
Seit dem 14. Jahrhundert spielten die Medici eine entscheidende Rolle im Machtkampf um Florenz. 1527 hatten sich einflussreiche Bürger der Stadt zum zweiten Mal gegen den alleinigen Machtanspruch der wohlhabenden Bankiersfamilie erhoben und sie aus Florenz vertrieben. Eine Ursache für den wütenden Aufruhr der Florentiner war die Verwendung von Geldern der Handelsstadt zur Finanzierung des Papstes in Rom. Die Medici verbündeten sich mit dem Habsburger Kaiser Karl V., der ihre Rückkehr mit seinen Truppen unterstützte. Papst Clemens VII., selbst ein Medici, schlug sich ebenfalls auf die Seite der Belagerer. 1530 musste sich Florenz ergeben. Fast die Hälfte der Stadtbevölkerung war der Belagerung zum Opfer gefallen. Der vertriebene Medici-Sohn Alessandro kehrte als erster Herzog in die Stadt zurück.
Legende und Realität
Pontormos Martyrium der Zehntausend funktionierte wie ein Spiegel der brisanten Ereignisse um die Belagerung von Florenz. Ein Medici, so teilt uns das Bild durch die Blume mit, kann ebenso grausam und unchristlich sein wie die antiken Kaiser, die die zum rechten Glauben bekehrten Soldaten des Heerführers Achatius folterten.
Um die Parallelen zwischen Legende und Realität deutlich zu machen, bediente sich Pontormo eines spannenden Kunstgriffs: Die thronende Herrschergestalt in seinem Gemälde sieht den Bildnisfiguren zweier berühmter Medici-Abkömmlinge verdächtig ähnlich. Die Marmorskulpturen von Lorenzo und Giuliano de’ Medici hatte kein Geringerer als Michelangelo für die Florentiner Grabkapelle der Familie geschaffen. In römischen Feldherrenrüstungen sitzen die beiden mit angewinkelten Beinen auf steinernen Thronen. Den Bürgern von Florenz ist die Ähnlichkeit zwischen Michelangelos bereits damals berühmten Skulpturen und Pontormos Motiv des grausamen römischen Herrschers gewiss nicht entgangen.
Der neue Herzog
und sein Maler
Ein ambitionierter und wachsamer Anführer: Der Blick des jungen Herzogs Alessandro de’ Medici ruht auf der Stadt Florenz. In ganzer Pracht erhebt sich ihre Silhouette mit der monumentalen Domkuppel am fernen Horizont.
Garant eines
Goldenen Zeitalters
Alessandros Nachfolger auf dem Herzogsthron war Cosimo de’ Medici. Vermutlich porträtierte ihn Pontormo hier im Alter von 17 oder 18 Jahren, also kurz nach der Machtübernahme.
Unter der Herrschaft Cosimos I. erblühte die Stadt als Zentrum des Kunstschaffens. Ihm war daran gelegen, Florenz auf kulturellem Gebiet neue Geltung zu verschaffen. So gingen am herzoglichen Hof die führenden Künstlerpersönlichkeiten ein und aus. Der Regent präsentierte sich als Hüter der Florentiner Tradition. In den Bildnissen des Herzogs und seiner Familie zeichnen sich die Pracht und der Stolz der Herrscherdynastie ab.
Kühle Pracht
Der Blick der jungen Ehefrau von Cosimo de’ Medici richtet sich kühl und distanziert auf den Betrachter. Eleonora di Toledos helle Porzellanhaut erstrahlt förmlich im Kontrast zum tiefblauen Hintergrund.
Ihr Kleid entsprach der höfischen Mode ihrer Heimat Spanien. Eleonora drückte damit ihre Treue zum Heiligen Römischen Reich Kaiser Karls V. aus, der als Karl I. auch König von Spanien war. Ihr Ehemann Cosimo I. hatte ihm die Herzogswürde zu verdanken, was die Medici mit Stolz erfüllte. Beim Volk war sie als Fremde hingegen recht unbeliebt. Doch genoss sie das Vertrauen ihres Gemahls und vertrat ihn zeitweise als Regentin. Sie förderte die Künste und unterstützte als gläubige Katholikin die Gründung neuer Kirchen.